100‘000 Jahre Verantwortungslosigkeit

100‘000 Jahre Verantwortungslosigkeit

Radioaktiver Abfall strahlt über 100‘000 Jahre lang. Deshalb gibt es für das Atommüllproblem keine ‚Lösung‘ – nur noch Risiko- und Schadensbegrenzung. Verantwortung wahrnehmen heisst: Die Produktion von radioaktiven Abfällen stoppen und die gefährlichen Abfälle in kontrollierbaren und rückholbaren Langzeitlagern verwahren.

Atommüll ist das gefährlichste Abfallprodukt der Industriegesellschaft des 20. Jahrhunderts und das langlebigste Erbe unserer Zivilisation. Für Jahrhunderte, Jahrtausende, ja bis Millionen von Jahren, sind radioaktive Abfälle eine ständige Bedrohung für den Menschen und seine Lebensgrundlagen – Ein Zeitrahmen, der jegliche menschliche Vorstellungskraft sprengt.

Radioaktiver Müll nicht nur aus den Reaktoren
Die „saubere“ Atomenergie erzeugt während der gesamten Produktionskette gefährliche radioaktive Abfälle. Das beginnt beim Uranabbau: Allein für den Brennstoff des AKW Leibstadt fallen jährlich rund 300‘000 Tonnen strahlende Erzreste an, die auf riesigen Abraumhalden liegen bleiben. Betroffen von dieser radioaktiven Verschmutzung sind in erster Linie die Ureinwohner in Namibia, Australien, USA oder Kanada. Ihre Lebensräume und ihre Gesundheit werden massiv geschädigt.
Auch beim nächsten Prozessschritt, der Herstellung der Brennelemente, fällt sehr viel gefährlicher Atommüll an.
Nach dem Abbrand der Brennelemente in den Atomreaktoren wird ein Teil der hochradioaktiven Brennstäbe zwischengelagert. Die übrigen abgebrannten Brennstäbe werden in die „Wiederaufarbeitung“ geschickt. Die AKW-Betreiber nennen dies „Recycling“ oder „Brennstoffkreislauf“. Das ist eine zynische Beschönigung dieser Giftmischerei. Die normalen Uranbrennstäbe und die wiederaufgearbeiteten Brennelemente fallen nach dem Abbrand als hochradioaktiver und hochgiftiger Atommüll an. Auch die Atomkraftwerke selber stellen nach der Stillegung eine gewaltige Hypothek von schwach-, mittel- und hochradioaktivem Müll dar. Für dessen sichere „Entsorgung“ gibt es weltweit noch keine Lösung.

Nicht verantwortbar
Der Vorwurf der Atomlobby, wonach es unverantwortlich sei, die Atomenergie zu nutzen und späteren Generationen die Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu überlassen, ist vor diesem Hintergrund deplaziert: Niemand kann wirklich die Verantwortung übernehmen für die Zeiträume und die Gefahrenpotentiale, um die es hier geht. Was heisst schon Verantwortung übernehmen, wenn kein Risiko besteht, je die möglichen

Folgen persönlich tragen zu müssen? Wo sind die Nagra, die AKW-Betreiber oder die Atomlobbyisten im Parlament in 100, in 600 oder gar 500‘000 Jahren?
Mit dem Atommüll haben wir auf Jahrtausende hinaus unkorrigierbare Sachzwänge geschaffen. Das ist aus ethischer Sicht gegenüber kommenden Generationen unhaltbar. „Eine verantwortliche Energieversorgung ist so zu gestalten, dass künftige Generationen nicht irreversibel beeinträchtigt werden. Die Betreibung von Atomkraftwerken widerspricht diesem Kriterium der Zukunftsgerichtetheit diametral, wenn wir unseren Kindern auf Jahrhunderte hinaus lebensbedrohliche Abfalllager hinterlassen.“1

Technisch unlösbares Problem
Atommüll ist so gefährlich, dass er von der Biosphäre isoliert werden müsste. Doch das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Jede technische Schranke, jedes gewählte Material und jede geologische Formation ist im Verlauf von Jahrtausenden der Alterung, beziehungsweise der Veränderung unterworfen.
Wir müssen in aller Bescheidenheit eingestehen, dass wir nur noch versuchen können, den bereits angerichteten Schaden und die Gefahren zu begrenzen. Es geht also darum, die Langzeitrisiken für kommende Generationen so klein wie möglich zu halten und deren Handlungsfreiheit zu wahren. Atommüll darf deshalb nicht einfach in einem „Endlager“ vergraben und vergessen werden.
Die Suche nach der „dauernden, sicheren Endlagerung“, wie sie die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) seit über 20 Jahren betreibt, ist am Wellenberg endgültig gescheitert. Die radioaktiven Abfälle müssen langzeitsicher so gelagert werden, dass sie kontrollierbar und im Schadenfall mit vertretbarem Aufwand rückholbar bleiben.

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